Die Übernahme der Patientenkartei im Rahmen der Praxisübergabe

Die Übergabe einer Arztpraxis ist ein komplexer Prozess, der sowohl rechtliche als auch praktische Herausforderungen mit sich bringt. Ein zentraler Aspekt, der oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, ist die Übergabe der Patientenkartei. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient endet nach der Praxisabgabe nicht. Bei einem Praxiskauf spielt die ordnungsgemäße Übertragung dieser sensiblen Daten eine entscheidende Rolle für den erfolgreichen Fortbestand der Praxis und die rechtliche Absicherung aller Beteiligten.

Die Patientenkartei stellt eine Sammlung hochsensibler personenbezogener Daten dar, die gemäß der Datenschutz-Grundverordnung und weiteren nationalen Vorschriften geschützt sind. Im Falle einer Praxisübernahme müssen diese Daten mit besonderer Sorgfalt behandelt werden, um den Datenschutz der Patienten zu gewährleisten.

Datenschutz und Rechtssicherheit bei der Patientenkartei-Übernahme

Die Übernahme einer Patientenkartei bringt strenge Datenschutzanforderungen und rechtliche Pflichten mit sich. Vermeiden Sie Risiken und lassen Sie sich umfassend beraten, um die Übergabe reibungslos und gesetzeskonform zu gestalten.

Rechtliche Risiken bei der Übergabe von Patientenakten

Die Weitergabe von Patientenakten im Zuge einer Praxisübergabe erfordert eine besonders sorgfältige Beachtung rechtlicher Vorgaben.

Neben einer strafrechtlichen Verantwortung in Form eines Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht, sofern die Weitergabe der Patientenkartei an einen Nachfolger ohne die ausdrückliche Zustimmung der Patienten erfolgt, sind auch disziplinarische Maßnahmen gegen den Arzt bzw. die Ärztin sind denkbar. Denn nach der Musterberufsordnung der Ärzte sind Ärzte dazu verpflichtet ist, die Patientendaten sicher zu verwahren. Zudem kann eine unsachgemäße Weitergabe der Patientenakten zivilrechtliche Folgen für den Kaufvertrag haben. Dieser kann bei einer unbefugten Weitergabe nichtig und damit als nicht zustande gekommen anzusehen sein.

Vier Vorgehensweisen im Falle einer Praxisübernahme

Es stellt sich daher die Frage, wie die Übergabe der Patientenakte rechtskonform umgesetzt werden kann. Dabei sind vier Methoden denkbar, um einen rechtmäßigen Umgang mit der Patientenkartei zu gewährleisten.

1. Einzelzustimmung der Patienten als rechtssichere Lösung

Eine Methode besteht darin, die ausdrückliche Zustimmung jedes einzelnen Patienten einzuholen. Nach den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung dürfen personenbezogene Daten nur verarbeitet oder weitergegeben werden, wenn eine rechtliche Grundlage besteht oder der Betroffene explizit eingewilligt hat. Da es keine spezifische gesetzliche Regelung gibt, die die automatische Weitergabe von Patientendaten bei einem Praxisverkauf gestattet, ist eine solche Zustimmung unerlässlich.

In der Praxis bedeutet dies, dass vor der Übergabe der Akten an den Nachfolger die schriftliche Einwilligung jedes Patienten eingeholt werden muss. Alternativ kann vereinbart werden, dass der Nachfolger die Akten zunächst lediglich aufbewahrt und erst dann Zugriff erhält, wenn die Zustimmung seitens des Patienten bzw. der Patientin erteilt oder dies durch das Verhalten erklärt wird, beispielsweise durch das Aufsuchen der Praxis zur Behandlung. Dies gilt auch für digitale Akten, die zusätzlich durch ein Passwort geschützt werden sollten.

Wichtig ist, dass diese Zustimmung vor jeglichem Zugriff der Nachfolgerin auf die Daten vorliegt, um rechtliche Probleme zu vermeiden.

2. Verwahrung der Patientenkartei durch einen verbliebenen Mitarbeiter

Eine weitere Möglichkeit zur Handhabung der Übergabe der Patientenkartei bei einem Praxisverkauf besteht darin, die Verantwortung für die Akten an einen Mitarbeiter zu übertragen, der auch nach der Übernahme durch den neuen Praxisinhaber beschäftigt bleibt. In diesem Fall wird eine Vereinbarung getroffen, die sicherstellt, dass die Patientenakten unter Verschluss bleiben und die Zustimmung des Patienten erforderlich ist, um auf die Akte zuzugreifen.

Aufgrund der Abhängigkeit vom Personal ist von dieser Vorgehensweise jedoch grundsätzlich abzuraten.

3. Gemeinschaftspraxis als Lösungsmöglichkeit

Eine effiziente Methode ist die Gründung einer Gemeinschaftspraxis vor dem Verkauf. In diesem Fall wird der Nachfolger allmählich in den Praxisalltag eingebunden und kann die Patienten bereits vor dem Verkauf behandeln. Dies bedeutet, dass die Patientenakten bereits für beide Ärzte zugänglich sind, und somit keine zusätzliche Zustimmung zur Einsichtnahme erforderlich ist. Da der Käufer somit bereits vor der Übernahme in die Behandlungsabläufe integriert wird, entfällt das Risiko einer unbefugten Geheimnisweitergabe.

Hierbei gelten für Patienten, die während dieser Übergangsphase nicht behandelt wurden, weiterhin die vorgenannten Regeln hinsichtlich der Einwilligung.

4. Münchener Empfehlungen: Das-Zwei-Schrank-Modell

Einige BGH-Entscheidungen führten zu rechtlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Patientenkartei, weshalb ärztliche Institutionen und Juristen ein Modell entwickelten, das unter Beachtung der Rechtsprechung eine praktikable Methode bezüglich der Übertragung der Patientenkartei ermöglicht. Diese „Münchener Empfehlungen zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht bei Veräußerung einer Arztpraxis“ zeichnen sich insbesondere durch das sogenannte „Zwei-Schrank-Modell“ aus.

Papierbasierte Patientenakten

Für Patientenakten in Papierform sieht das
Zwei-Schrank-Modell eine strikte Trennung vor. Hierbei wird die Altkartei, die
vom vorherigen Praxisinhaber geführt wurde, in einem verschlossenen Schrank
verwahrt, auf den der Nachfolger keinen unmittelbaren Zugriff hat. Erst wenn
ein früherer Patient die Praxis des Nachfolgers aufsucht und seine Zustimmung
erteilt, darf der Nachfolger die entsprechenden Akten einsehen und nutzen.
Dieser Ansatz sorgt dafür, dass sensible Daten nur mit ausdrücklicher
Genehmigung des Patienten offengelegt werden.

Elektronische Patientenakten

Im digitalen Bereich wird das Zwei-Schrank-Modell angepasst. Falls möglich, sind die elektronischen Altakten mit einem Passwort zu sichern, sodass der Nachfolger erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Patienten darauf zugreifen kann. Sofern das konkrete Praxisverwaltungssystem keine differenzierte Rechteverwaltung erlaubt, ist es erforderlich, eine separate, leere Datenbank für den Nachfolger zu erstellen. Erst nach Erhalt der Zustimmung des Patienten dürfen die relevanten Daten übertragen oder freigeschaltet werden.

Vertragsgestaltung beim Praxisverkauf

Beim Kauf einer Praxis sollte aus den oben genannten Gründen daher nicht nur der Praxiskauf an sich vertraglich geregelt werden, sondern auch die Übergabe der Patientenkartei. Der Vertrag sollte klare Bestimmungen über die Modalitäten der Übergabe enthalten – einschließlich der Frage, wer für die Einholung der notwendigen Einwilligungen der Patienten verantwortlich ist und wie mit den Daten umzugehen ist, die einer Weitergabe nicht zustimmen.

Fazit

Die Übergabe der Patientenkartei ist ein wesentlicher Bestandteil der Praxisübernahme und erfordert sowohl rechtliche als auch praktische Sorgfalt. Durch eine rechtzeitige Planung, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und den sensiblen Umgang mit den Patienten kann dieser Prozess erfolgreich gemeistert werden. Ein sorgfältig vorbereiteter Praxiskauf samt fachlicher Beratung schafft nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern bildet auch die Basis für eine langfristig erfolgreiche Praxisführung durch den neuen Inhaber.

Gerne helfen wir Ihnen bei der für Sie passenden Gestaltung Ihrer Verträge.

Björn Papendorf, LL. M.
Dr. Tobias Witte
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